70 Jahre Audi Ingolstadt: Die Scholzes und ihre Kantine

Als vor 70 Jahren der Audi-Standort Ingolstadt gegründet wurde, galt (wie heute auch noch): Wer arbeitet, der soll auch essen! Und so wurde im (bzw. unter dem) Gebäudekomplex von Hauptverwaltung und Zentraldepot (Schrannenstraße/Proviantstraße/Josef-Strobl-Platz) auch eine Kantine für die Mitarbeiter des, in Ingolstadt ganz neuen, Unternehmens eingerichtet.

Die ersten Pächter waren Richard und Else Scholze (siehe Bild oben), die nach dem Krieg aus dem Sudetenland (dort hatten sie einen Hotelbetrieb) nach Ingolstadt kamen. Ihre ersten Jobs in der neuen Heimat fanden sie in der Bahnhofsgaststätte – er als Oberkellner, sie als Konditorin, bevor sie die Bahnhofsgaststätte übernahmen. Und mit der Ansiedlung der Auto Union ergriffen sie die Chance, die Kantine des Unternehmens zu betreiben. „Der Eingang zur Kantine lag im Keller. Wenn es kräftig geregnet hatte, ist der Keller geschwommen. Da hat sogar Dr. Richard Bruhn (erster Geschäftsführer der Auto Union GmbH, Anm. d. Red.) beim Wasserschöpfen mit angepackt“, erklärt Renate Block, die Tochter von Richard und Else Scholze.

Zwei namentlich nicht bekannte Mitarbeiterinnen der ersten Audi-Kantine.

Die Helden fuhren Motorrad

Die Arbeitswoche bestand im Gegensatz zu heute aus sechs Tagen, aber was es auch damals schon gab, waren mehrere Gerichte zur Auswahl, wobei eines davon immer fleischlos war (z.B. eine Mehlspeise). Die Preise lagen bei 80 Pfennig für ein einfaches Gericht wie Leberkäs mit Ei bis 1,20 Mark für ein Schnitzel mit Beilage. 20 Pfennige musste man für eine Limo bezahlen und die Bonbons gab´s noch in der Papiertüte: „Für mich als Kind war das ein Paradies“, erklärt Renate Block, die 1942 geboren wurde. In der Kantine haben sich alle getroffen – auch die Motorrad-Rennfahrer: „Für uns Kinder waren Hermann Paul Müller, Ewald Kluge und Siegfried Wünsche die Helden. Und dann gab‘s da auch noch den Nachwuchsstar Gustl Hobl“, erinnert sich Renate Block. „Und bei uns Kindern gab es nichts anderes als Auto Union.“ Sie habe die einzelnen Motorentypen schon am Geräusch erkannt. Als „Krawattenmenschen“ bezeichneten die Kinder jene Gäste aus Düsseldorf (auch hier gab es ein Auto Union Werk), über die man munkelte, sie würden die Ingolstädter wohl gerne in die Tasche stecken. Das Gegenteil war der Fall.

Ein Knochenjob

Die Auto Union wuchs und so wurde 1953 die Friedenskaserne (gegenüber dem heutigen ZOB) angemietet, wo dann auch die Kantine untergebracht wurde. „Meine Mutter bereitete mit ihren Mitarbeitern bis zu 350 Mittagessen am Tag zu“, erklärt Renate Block. Das war ein Knochenjob. Und man habe die schwere Arbeit ihrer Mutter durchaus angesehen. Die Auto Union expandierte weiter. Die Ingolstädter Altstadt wurde endgültig zu eng. In der Ettinger Straße entstand ein neues Werk – und die dortige Baukantine leitete erneut das Ehepaar Scholze. Aber nur bis das neue Hauptquartier fertig gestellt wurde, denn mit der Eröffnung des neuen Standorts 1959 wurde die dortige Kantine vom Autobauer selbst betrieben.

Die Baukantine auf dem neuen Firmengelände an der Ettinger Straße.

Das Ehepaar Scholze aber blieb Ingolstadt treu, pachtete zunächst das Hotel Uhlmann und baute später sein eigenes Hotel Scholze in der Ziegeleistraße, das mit der Übernahme durch Renate Scholze, jetzt Block und ihren Mann Karl-Heinz in Hotel Ammerland umbenannt wurde. Heute heißt es Block Hotel&Living und mit Carolin Block führt es die Enkelin der „Kantinenwirte“ der Auto Union. Und aus der Ziegeleistraße ist passenderweise die Hermann-Paul-Müller Straße geworden.

Fotos: Familienarchiv Block