„Ingolstadt ist auch eine Fahrradstadt“: Neue Ingolstädter Fahrradbeauftragte, Theresa Schneider, über ihren Start, Ziele und Visionen

Neue Ingolstädter Fahrradbeauftragte, Theresa Schneider, über ihren Start, Ziele und Visionen

 

Frau Schneider, fühlen Sie sich als Don Quichote?

Theresa Schneider: Das müssen Sie mir erklären, was Sie damit meinen.

In einer Autostadt wie Ingolstadt dürfte die Tätigkeit als Fahrradbeauftragte sich doch teilweise wie ein Kampf gegen Windmühlen anfühlen.

Nein, das sehe ich anders. Ich bin der Meinung, dass Ingolstadt auch eine Fahrradstadt ist. Wir müssen allerdings aufpassen, mit welchen Städten wir Ingolstadt vergleichen. Im Vergleich zu Kopenhagen beispielsweise, wäre tatsächlich noch Luft nach oben. Aus eigener Erfahrung kann ich aber sagen, dass es Städte in Deutschland gibt, in denen ich nicht so schön und sicher Radfahren kann, wie in Ingolstadt. Seit ich hier lebe hatte beispielsweise selten Probleme, sodass ich dachte: Wie komme ich jetzt weiter? Es war meist klar geregelt, wo ich langfahren muss. Es war also immer eine Infrastruktur zur Verfügung, die ich nutzen konnte. Das muss man auch einmal positiv hervorheben. Wir sind nicht so schlecht, wie es oftmals dargestellt wird. Wir haben in Ingolstadt eine gute Basis – es gibt trotzdem noch Vieles, das wir verbessern können.

Sie sind nun seit rund einem Monat Fahrradbeauftragte. Wie war der Start?

Bis jetzt gut. Es war – wie bei jedem neuen Job – sehr viel Input. Dazu fiel ja mein Vorgänger lange aus. Dadurch war es doch recht wuselig zum Start. Aber ich bin gut reingekommen – natürlich auch Dank der Unterstützung der Kollegen.

Was waren Ihre ersten Schritte?

Konkret musste ich zu Beginn natürlich die ganzen Abläufe innerhalb der Stadtverwaltung kennenlernen. Auch wenn ich meine Masterarbeit im Tiefbauamt geschrieben habe, komme ich ja trotzdem von Extern und kannte viele Prozesse nicht. Das sind natürlich immer die ersten Schritte, die man dann lernt. Dazu zählen beispielsweise: Wie sind die Arbeitswege? An wen muss ich mich wenden, wenn ich irgendwas brauche?

Dann beginnt nun die eigentliche inhaltliche Arbeit.

Ich habe mir natürlich auch zuvor schon Gedanken darüber gemacht, welche Projekte ich anschieben möchte. Vorrangig waren nun erst einmal die Abläufe genau kennenzulernen und viele Dinge zu erledigen, die abgearbeitet werden müssen. Aber ich konnte bereits kleinere Maßnahmen anstoßen. Dazu zählen beispielsweise Maßnahmen, die die Sichtbarkeit des Radverkehrs in Ingolstadt erhöhen werden. Dazu gehört, dass die weitläufig geäußerte Meinung, Ingolstadt sei eine reine Autostadt, der Stadt eben nicht gerecht wird. Das unterstreicht die letzte Modal-Split-Erhebung aus dem Jahr 2016. Da hatten wir einen Anteil von 21 Prozent an Radfahrern. Das ist eine gute Basis. Deshalb darf man dies mit solchen Begriffen, wie Autostadt, nicht unter den Teppich kehren.

Mit Ihrer Masterarbeit „Optimierung der Fahrradsituation in der Altstadt von Ingolstadt“ haben Sie sich ja schon mit dem Thema Radverkehr auseinandergesetzt. Worin ging es dabei konkret?

Das Ziel der Masterarbeit war die Situation des Radverkehrs in der Altstadt zu verbessern. In Ingolstadt fahren viele Menschen mit dem Rad durch die Fußgängerzone, auch zu Zeiten, in denen es nicht erlaubt ist, also zwischen 10.30 Uhr und 20 Uhr. Da müssten die Radfahrer eigentlich ihr Fahrrad durch die Fußgängerzone schieben. Das Radfahren wird aber trotzdem geduldet. Meine zentrale Aufgabe war: Wie sollen wir damit umgehen? Sollen wir – ähnlich wie in Regensburg – die Fußgängerzone für den Radverkehr komplett öffnen, also legalisieren? Dieses Konzept habe ich untersucht, natürlich auch in Verbindung mit der Stadt Regensburg, die mir ihre Chancen, Risiken und Überlegungen mitgeteilt haben. Dann habe ich die Situation in Ingolstadt dahingehend untersucht, mit Hinblick auf die Fragestellung: Wie sind die baulichen Maßnahmen bei uns? Wie könnte man das umsetzen? Ist dies überhaupt möglich? Das ausgearbeitete Konzept besprach ich dann mit der Stadtverwaltung, dem Verkehrsmanagement, dem Tiefbauamt und der Stadtplanung.

Was kam dabei heraus?

Da sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass wir die Öffnung der Fußgängerzone für den Radfahrer nicht als Favoritenvariante sehen, sondern eine alternative Variante. Eine sichere Ost-West-Verbindung für Radfahrer – abseits der Fußgängerzone – wäre die Route über die Kupfer-, Schrannen- und Beckerstraße, also die Parallelstraßen nördlich der Fußgängerzone. Im nächsten Schritt ging es dann darum, wie man diese Strecke fahrradfreundlicher gestalten könnte. Umfragen unter den Radfahrern haben zudem ergeben, dass rund 50 Prozent sagten, dass es für sie keine Alternative in der Altstadt gäbe, um von Ost nach West zu kommen. Hauptprobleme waren das Kopfsteinpflaster, die Anwesenheit des motorisierten Verkehrs und parkende Autos. Diese ganzen Wünsche habe ich versucht, in diesem zweiten Konzept unterzubringen. Die Arbeit wurde dann am Ende auch dem Planungsausschuss der Stadt vorgestellt.

Versuchen Sie nun dieses Konzept umzusetzen?

Diese Masterarbeit stand nicht in Zusammenhang mit meiner jetzigen Tätigkeit. Natürlich habe ich bei meiner Masterarbeit versucht, die 100-Prozent-Lösung zu präsentieren. Mir ist aber auch bewusst, dass man an vielen Stellen Abstriche und Kompromisse machen muss. Meine damals präsentierte 100-Prozent-Lösung wird also so wohl nicht umgesetzt. Sonst würden in der Innenstadt auf einen Schlag rund 80 Parkplätze wegfallen. Das ist utopisch, eine solch hohe Anzahl von Parkplätzen rauszunehmen. Da muss man bei einer möglichen konkreteren Planung natürlich nochmals in eine gemeinsame Absprache gehen. Das Konzept wird grundsätzlich weiter verfolgt.

Aber sollten gerade Sie als Fahrradbeauftragte nicht nach der 100-Prozent-Lösung für die Radfahrer streben?

Ich wünsche mir natürlich die Maximallösung, aber wir müssen Kompromisse eingehen und alles an die Realität anpassen – auch wenn mir das als Fahrradbeauftragte natürlich schmerzt. Wir können nicht sagen: Ab sofort fahren wir nur noch Fahrrad und schließen alle Autos aus der Innenstadt aus. Dann würde das Leben vieler Bürgerinnen und Bürger nicht mehr funktionieren. Wir sind teilweise auf den motorisierten Verkehr angewiesen und das Auto ist für viele Menschen ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens. Auch in Zukunft werden wir das alles haben, selbst wenn die Autos elektrifiziert oder selbstfahrend sind. Alle anderen Vorstellungen wären utopisch und weltfremd. Das gilt es auch in unseren künftigen Überlegungen zu berücksichtigen, auch wenn ich immer versuchen werde, das beste für den Radverkehr rauszuholen.

Aber eine solche Ost-West-Variante wird schon kommen, oder?

Ja, eine sichere Ost-West-Verbindung steht auf dem langfristigen Plan, allerdings nicht mit höchster Priorität. Aber eine Ost-West-Verbindung ist Teil des zentralen Themas, wie man den Radverkehr in der Altstadt verbessern kann – dazu zähle ich beispielsweise auch, dass wir mehr Abstellmöglichkeiten für Räder schaffen. So viele konkrete Sachen möchte ich allerdings noch nicht verraten, weil ich dies gerne noch intern mit den einzelnen Ämtern abstimmen möchte.

Was hat aktuell oberste Priorität bei Ihnen?

Aktuell organisiere ich die nächste Sitzung des Fahrradbeirats. Dazu verfolgen wir das vom Ingenieurbüro Inovaplan entwickelte Mobilitätskonzepts mit den Fahrradvorrangrouten weiter. Dieses Projekt möchte ich nicht abbrechen. Wir wollen das Vorrangroutennetz ausbauen. Fahrradvorrangroute 4 (Von der Altstadt nach Mailing, d. Red.) ist als nächstes dran. Das Ingenieurbüro Inovaplan plant zudem eine Evaluierung des Mobilitätskonzepts. In diesem Zusammenhang schauen wir uns die bestehenden Routen nochmals an, wo man an der einen oder anderen Stelle noch etwas verbessern kann. Die umgesetzten Fahrradvorrangrouten kenne ich teilweise zwar, werde sie aber demnächst nochmals abfahren. Denn als Fahrradbeauftragte legt man einen anderen Blick auf die Wege, wie als Bürger, der schnell von A nach B kommen will.

Braucht es anstelle von Vorrangrouten nicht Fahrradautobahnen, mit denen man ohne Ampeln und Seitenstraßen die Stadt queren kann?

Die Fahrradvorrangrouten, also das sternförmiges Netz aus allen Richtungen durch die Stadt zu kommen, ist aus meiner Sicht der richtige Ansatz.

Aber wir sind dann wieder an dem Punkt, dass der Radverkehr dem motorisierten Verkehr untergeordnet ist. Ist das nicht grundsätzlich der falsche Ansatz?

Es gibt durchaus noch Aufholbedarf in Ingolstadt. Denn mehr und mehr zeigt sich, dass das Fahrrad kein reines Freizeitverkehrsmittel ist. Dafür müssen wir die Infrastruktur bereitstellen. Grundsätzlich ist der eingeschlagene Weg allerdings der richtige.

Hilft da nicht der Blick, beispielsweise nach Kopenhagen, wo der Radverkehr gleichrangiger behandelt wird?

Es ist wichtig, den Blick auf andere Städte zu werfen und sich mit diesen auszutauschen, schließlich muss man das Rad nicht immer selbst neu erfinden. Trotzdem glaube ich, dass wir einzelne Maßnahmen nicht überstülpen dürfen und anwenden können. Die Ingolstädter haben ein anderes Mobilitätsverhalten als beispielsweise die Menschen in Kopenhagen. Da spielen unterschiedliche Lebensweisen eine Rolle, welche sich auch im Mobilitätsverhalten widerspiegelt. Deshalb finde ich es schwierig zu sagen: Wir müssen genau so werden, wie diese oder jene Stadt.

Das Gespräch führte Timo Schoch.