Halber Machtwechsel
Kommentar von Hermann Käbisch:
Michael Kern hat für die CSU das Rathaus zurückerobert. Damit verschieben sich auch die Machtverhältnisse im Stadtrat ein wenig zugunsten der CSU. 14 Stadtratsmandate hatte die Partei bisher (13 im Jahre 2020 auf der CSU-Liste Gewählte und die von den Grünen zugelaufene Steffi Kürten). Hinzu kommen die zwei Mandate der mit eigener Liste angetretenen Jungen Union (Veronika Hagn und Markus Meyer, die auch CSU-Mitglieder sind). Michael Kern wechselt nun aus dem Stadtrat ins Amt des Oberbürgermeisters. Für ihn rückt der beliebte Chefarzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Babür Aydeniz, in die CSU-Fraktion nach. Damit verfügt die Partei, wenn man Hagn und Meyer sowie den künftigen Oberbürgermeister mitzählt, über 17 Stimmen im Stadtrat. Für eine Stadtratsmehrheit sind aber 26 Stimmen erforderlich. Davon ist die CSU weit entfernt. Es bedarf somit der Zusammenarbeit mit anderen Fraktionen und Gruppierungen. Dabei gibt es sogar noch viel parteiinternen Konfliktstoff zwischen dem Kreisvorstand und den beiden genannten JU-Stadträten. Man kann nicht behaupten, dass sich der Kreisvorstand mit Ruhm bekleckert hätte, soweit es um die Versuche geht, die eigenen Mitglieder Hagn und Meyer in die CSU-Stadtratsfraktion zu integrieren. Wenn Blicke töten könnten, hätte man die Probleme längst biologisch gelöst.
So darf sich der neu gewählte Oberbürgermeister mit zwei Gruppierungen von CSU-Mitgliedern befassen/herumschlagen: der CSU-Fraktion und der JU-Gruppe (Hagn und Meyer). Hinzu kommt noch, dass die CSU-Fraktion in sich uneins ist. Die früher mächtigen Hardliner wie Christian Lösel und Albert Wittmann treffen auf eher gemäßigte und kooperationwilligere Stadträte wie etwa MdL Alfred Grob, Bürgermeisterin Dorothea Deneke-Stoll, Matthias Schickel oder Hans Achhammer. Der parteiübergreifend geschätzte Franz Wöhrl muss als Fraktionsvorsitzender den Laden einigermaßen zusammenhalten.
Will die CSU kommunalpolitisch wieder mehr Einfluss haben, so muss sie mit einer starken Liste zur Kommunalwahl 2026 antreten. Wenn Michael Kern schlau ist, wovon auszugehen ist, wird er bei der Aufstellung der Liste zumindest informell Einfluss nehmen. An sich ist hier primär die Partei (Kreisvorstand und Ortsverbände) gefordert. Die aber ist gespalten, wie das harte Ringen bei der Nominierung des OB-Kandidaten gezeigt hat. Für Michael Kern war es schwieriger, von der zerstrittenen Partei nominiert zu werden, als dann die OB-Wahl zu gewinnen. Nun steht im April die Neuwahl des Kreisvorstandes der CSU an. Es mehren sich, so hört man aus Kreisen der Partei, die Stimmen, die hier für neue Gesichter plädieren. Unübersehbar wollten maßgebliche Mitglieder des CSU-Kreisvorstandes nicht Kern, sondern Lösel als OB-Kandidaten. Nicht der Kreisvorstand, sondern die Mitgliederversammlung der Partei setzte Kern als CSU-Kandidaten durch. War das nur der erste Akt eines Machtwechsels in der CSU? Legt die Parteibasis nach? Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass Amtsinhaber bei den nächsten Kreisvorstandswahlen mit Gegenkandidaten zu rechnen haben. Dann würde auch die bisher unterbliebene Aufarbeitung der krachenden Wahlniederlage des Jahres 2020 erfolgen. Die Ingolstädter CSU ist derzeit für positive Überraschungen gut.