Der Menschenfeind – Premiere
Man passt sich an, weil man dazu gehört….
Der adelige Alceste verabscheut die Oberflächlichkeit der höfischen Gesellschaft und ihre Verlogenheit. Für sich selbst erhebt er den Anspruch absolut und kompromisslos in jeder Lebenslage die Wahrhaftigkeit zu leben. Das bringt ihn nicht nur immer wieder in unangenehme Situationen, sondern er handelt sich auch die Feinschaft und die Klage eines Höflings ein, als er sein Gedicht schonungslos verreißt. Allerdings ist Alceste paradoxerweise hoffnungslos der jungen, lebensfrohen Witwe Celimene verfallen, die nicht nur das ausschweifende Gesellschaftsleben liebt, sondern auch viele Verehrer um sich versammelt und sich genussvoll dem Tratsch hingibt.
Eines Tages taucht ein Brief von ihr auf, indem sie ihre Verehrer – auch Alceste – gnadenlos verspottet. Nach diesem Skandal wenden sich die Verspotteten von Celimene ab – alle, außer dem verliebten Alceste, der nun seine Stunde kommen sieht, da er hofft, dass sich seine Angebetete mit ihm auf seine Landgüter zurückzieht. Ein zurückgezogenes Leben am Land lehnt die junge Witwe allerdings rundweg ab.
Die Komödie, die sehr viele autobiographische Züge trägt, wurde 1666 mit Moliere in der Hauptrolle in Paris uraufgeführt, durfte allerdings am Hof vom Ludwig XIV nicht gespielt werden. Mit Botho Strauß und Hans Magnus Enzenberger gibt es zwei namhafte Übersetzer der Neuzeit, die beide der Überzeugung waren, an der Darstellung des großbürgerlichen Milieus hat sich in den vielen hundert Jahren kaum etwas geändert und wohl deswegen zählt der Menschenfeind mit zu den am häufigsten gespielten Komödien. Daher hat der Schauspieler, Sänger und Regisseur,Tilo Nest, der sich für Enzensbergers Übersetzung entschied, die Inszenierung am Ingolstädter Stadttheater in eine unbestimmte Epoche verortet. Die Protagonisten tragen zur höfischer Kleidung Sneakers und benutzen selbstverständlich Handys.
Die fast leere Bühne erforderte absolute Präsenz der Protagonisten, der sich die großartigen Schauspieler mühelos stellten. Besonders Enrico Spohn begeistert in der Rolle des von sich selbst eingenommenen und in seiner Selbstherrlichkeit verfangenen Alceste. Auch Sebastian Kremkow überzeugte als seinen aufrichtigen Freund, der treu zu ihm steht, sich aber der Gesellschaft nicht verschließt und der Alceste vergeblich überzeugen will, etwas mehr großzügiger und toleranter den Menschen gegenüber zu sein. Edda Wiersch brilliert als Femme fatale Celimene und liefert sich mit Chen Emilie Yan als Arsinoe ein herrliches Zickenduell. Köstlich auch Peter Polgars ungarische Schimpftirade.
Die wunderbaren, fantasievollen Kostüme begeisterten und unterstreichen herrlich die Schicki-Micki-Gesellschaft, die sich selbst feiert. Alles in allem eine sehr gelungene Inszenierung, auch wenn sie an manchen Stellen durch kleine Kürzungen noch mehr gewonnen hätte. (HaGa)
Bild: Björn Hickmann, Stadttheater Ingolstadt