Lebensbedingungen im AnkERzentrum nicht hinnehmbar
Seit einem Jahr gibt es das Ankerzentrum Ingolstadt/Manching. Die Lebensumstände dort wurden von Anfang an kritisiert. Die Initiative „Ingolstädter Erklärung“, die sich die Verbesserung der Lebensumstände im Ankerzentrum Ingolstadt/Manching und seinen 3 Dependancen zum Ziel gesetzt hat, beleuchtete bei einem Pressegespräch einige besonders kritische Punkte und teilt dazu mit:
Es gebe zwar minimale Verbesserungen, wie z.B. die Tatsache, dass Mütter mit Babys bis zu 15 Monaten einen Wasserkocher zum Erwärmen der Nahrung auf das Zimmer nehmen dürfen, doch grundsätzlich sind die Rahmenbedingungen für das Leben von Geflüchteten im Lager nicht hinnehmbar. Man bedenke, dass die allermeisten der ca. 1000 Menschen im Ankerzentrum Ingolstadt/Manching auf ihrer Flucht Schreckliches erfahren mussten und von traumatisierenden Erlebnissen gezeichnet sind.
Franziska Maul von Ärzte der Welt München zog eine bittere Bilanz: Die Organisation sah sich gezwungen ihre psychiatrische Sprechstunde nach 15 Einsätzen zu beenden, da „die anhaltend krankmachenden Lebensumstände in der Unterkunft eine erfolgreiche Behandlung verhindern. Der fehlende Schutz vor Übergriffen, die mangelnde Privatsphäre und das Besuchsverbot von Verwandten, Freunden und Betreuern wirken sich ebenfalls negativ auf die psychische Gesundheit aus. Nächtliche Ruhestörungen, die unsichere Zukunftsperspektive und die nicht vorhandene Kontrolle über das eigene Leben haben eine katastrophale Wirkung.“
Julian Rapp vom Infobus Münchner Flüchtlingsrat bemängelte den fehlenden Rechtsbeistand im Asylverfahren. So sei es Geflüchteten nicht möglich, sich vor der ersten Anhörung eine fundierte Rechtsberatung zu organisieren. Es gibt lediglich eine allgemeine Beratung, die vom BAMF durchgeführt wird, jene Behörde, die über den Asylantrag entscheidet. Das widerspricht aufgrund mangelnder Neutralität jeglicher rechtsstaatlichen Struktur.
Ebenfalls sehr kritisch äußerte sich Jürgen Soyer von Refugio München: „Nach einem Jahr Arbeit mussten wir feststellen, dass es sehr viele psychisch stark belastete Kinder und Jugendliche gibt. Die isolierenden Lebensumstände sind für diese Kinder eine Katastrophe und richten nachhaltige Schäden an. Wenn wir ein Kind als traumatisiert identifiziert haben, gibt es kein funktionierendes System, das entsprechende Bedürfnisse aufnimmt. Jeder Fall ist eine neuer Kampf um Zuständigkeit und eine zeitnahe Reaktion.“
Veronika Peters von der Initiative „Ingolstädter Erklärung“ verlangt mehr Transparenz und leichteren Zugang zu den in der Einrichtung untergebrachten Menschen. Wiederholte Anschreiben und Telefonate wegen einer Besuchsmöglichkeit blieben zuletzt unbeantwortet. Monika Müller-Braun, eine Sprecherin der Initiative, hält das Konzept der Ankerzentren trotz kleinerer Verbesserungen für gescheitert und wünscht sich die Rückkehr zu dezentralen Unterkünften, wo mit Hilfe von Helferkreisen vor Ort Integration schneller, sicherer und erfolgreicher gelingen kann.
Die sogenannten Ankerzentren für Geflüchtete wurden vor einem Jahr eingeführt. Bayern soll dabei die Rolle als Vorbild zukommen. Bereits bei der Anhörung im Landtag im September 2019 wurden die Lebensumstände in den bayerischen Lagern von Expertinnen und Experten heftig kritisiert. Der gemeinsame Tenor: Diese Lager entsprechen nicht den Werten unserer auf Humanität und rechtlicher Unabhängigkeit basierenden Gesellschaft.
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