„Alte Liebe“ im Altstadttheater
Ein absoluter Renner ist im Altstadttheater Elke Heidenreichs Bühnenfassung des Romans „Alte Liebe“, das die Autorin gemeinsam mit ihrem ehemaligen Lebenspartner, Bernd Schroeder, geschrieben hat.
Lore und Harry sind seit 40 Jahren ein Ehepaar, das sich zwar noch liebt, aber die Jahre und der Alltag haben Spuren hinterlassen, die zur Entfremdung führen. Auch die unterschiedlichen Charakter und Interessen machen das gemeinsame Leben nicht immer einfach, vor allem da Harry nun als Rentner sich zufrieden in seine Gartenarbeit stürzt, bringt die umtriebige Lore in eine Krise, befürchtet sie nun den absoluten Stillstand. Die Probleme, die sich aus den oft gegensätzlichen Erwartungen an das Leben ergeben, überwinden die beiden Alt-Achtundsechziger mit liebevollen Sticheleien. Genau in dieser Situation geschieht etwas, was die beiden wieder an einen Strang ziehen lässt: Die gemeinsame Tochter Gloria, die in ihren Leben alles Mögliche falsch gemacht hat, will nun in ihrer dritten Ehe den steinreichen Sohn eines „Immobiliendreckskerl“ – so Harry – heiraten. Obwohl Harry sich zunächst strickt weigert dieser Hochzeit beizuwohnen, entwickelt er plötzlich große Freude an der Sache und sieht darin eine „Auffrischungskur für seinen antikapitalistischen Kampfgeist“. Es zeigt sich, dass dies nicht nur eine Auffrischung für den antikapitalistischen Kampfgeist, sondern auch die Auffrischung ihrer alten Liebe ist, die sie wieder zusammenwachsen lässt.
In den umwerfenden Dialogen gingen Heidenreich und Schroeder feinsinnig Fragen nach: Was passierte mit den Idealen von 68? Was passiert mit der Liebe? Welche Erwartungen haben sie noch ans Leben. Fragen, in denen sich viele Menschen ihrer Generation wiederfinden.
Eine der besonderen Herausforderungen, die die Inszenierung mit sich brachte, war der temporeiche Szenenwechsel auf einer so kleinen Bühne, die wenig Spielraum bietet. Diese hat die Regisseurin, Leni Brem-Keil, gewohnt souverän gemeistert ohne Unruhe in das Stück zu bringen. Ein ausgesprochen glückliches Händchen hatte sie auch in der hervorragenden Auswahl der Protagonisten gezeigt: Kathrin Becker überzeugte als umtriebige, mitunter von Selbstzweifel geplagte Lore. Hans Rudolf Spühler gab einen in sich selbst ruhenden und zufriedenen Rentner, dessen Kampfgeist aber durch die dritte Heirat der Tochter mit aller Vehemenz wieder geweckt wurde. Beide zeigten im gegenseitigen Umgang eine große Vertrautheit und gegenseitige Wertschätzung, die in jeder Geste spürbar wurde.
Ein wunderbarer Theaterabend über Liebe und die Frage nach Glück, der gute, feinsinnige Unterhaltung mit großen Gespür für Witz, aber auch die leisen Zwischentöne bietet, der wärmstens empfohlen werden kann. (HaGa)
Fotos: HaGa